Kriebstein. Mitten in der Nacht, um 2 Uhr, klingelt bei Karina Garten der Wecker. Seit 30 Jahren ist das so. Die 51-Jährige ist Bäckerin und in Grünlichtenberg Chefin der Bäckerei Nowack. Seit 25 Jahren besitzt sie den Meisterbrief, der am Donnerstag versilbert worden ist.
Unscheinbar liegt die kleine Bäckerei unmittelbar an der Dorfstraße in Grünlichtenberg. Vor dem Geschäft bildet sich hin und wieder eine Schlange, denn derzeit darf nur ein Kunde in den kleinen Laden hinein.
„Wegen der Corona-Pandemie müssen wir die üblichen Hygieneregeln einhalten“, sagt Karina Garten. Damit hat die Bäckermeisterin schon begonnen, bevor es entsprechende Regelungen gab.
Erhöhte Nachfrage durch Corona
Den sogenannten Corona-Lockdown hat die Mannschaft der Bäckerei gut überstanden. „Wir waren froh, dass wir arbeiten konnten“, sagt die 51-Jährige. „Zeitweise hatten wir sogar eine höhere Nachfrage als in normalen Zeiten.
Als auch die Kinder daheim bleiben mussten, wurde automatisch mehr zuhause gegessen“, erzählt Karina Garten. Anfangs hätten sich einige Kunden außerdem bevorratet.
Mittlerweile haben sich die Verkaufszahlen wieder eingepegelt. Dass ihre Familie, ihre insgesamt sechs Mitarbeiter und die Kunden in dieser schwierigen und ungewissen Zeit so hinter ihr gestanden haben, dafür ist sie sehr dankbar. „Ohne deren Unterstützung hätte ich das nicht geschafft.“
Die kleine Handwerksbäckerei in Grünlichtenberg existiert seit 1902 und wurde von Karina Gartens Urgroßvater gegründet. Die Bäckermeisterin führt sie nun in der vierten Generation.
„Als ich 25 Jahre alt war, starb mein Vater im Alter von 54 Jahren plötzlich. Fast von einem Tag auf den anderen musste eine Lösung für den Betrieb gefunden werden. Da habe ich mich noch mal auf die Schulbank gesetzt und den Meisterabschluss gemacht“, erzählt Karina Garten.
Viele hätten es ihr anfangs nicht zugetraut, den Betrieb führen zu können. Aber sie hat es geschafft. „Ich wollte es allen Zweiflern beweisen“, sagt sie heute mit einem Schmunzeln.
Handwerk von der Pike auf gelernt
Gelernt hat sie das Bäckerhandwerk von der Pike auf, allerdings nicht im väterlichen Betrieb, sondern in der damaligen PGH Gellertstadt in Hainichen. Nach der Wende war sie eine der ersten, die entlassen wurde. „Du kannst ja bei deinem Vater arbeiten“, wurde ihr damals gesagt. Und so kam es dann auch. 1990 stieg sie in der Bäckerei Grünlichtenberg ein.
Besonders schätzt sie an ihrem Beruf, dass sie für die Kunden sprichwörtlich das „täglich Brot“ herstellen kann. „Aber Bäcker ist auch ein sehr kreativer Job“, sagt sie. „Man kann immer wieder Neues ausprobieren und etwas Leckeres zaubern.“ Dabei denkt sie besonders an die Gestaltung der Torten, die sie zu jedem nur denkbaren Anlass kreiert.
In einer ihrer beiden Töchter hat sie dabei tatkräftige Unterstützung. Sie hat Konditorin gelernt. Wenn alles klappt, wird sie 2022 ihren Meisterabschluss in der Tasche haben. Karina Gartens zweite Tochter wird Optikerin. Auch sie sei sehr glücklich in ihrem Beruf.
Seit 2008 arbeitet Ehemann Meinhard mit in der Bäckerei. Er wirft unter anderem gegen 2.30 Uhr den Backofen an. „Investiert hat jede Generation etwas“, sagt sie. „Wir haben 2018 einen neuen Backofen angeschafft.“
Obwohl die Backstube technisch auf einem guten Stand sei, wird in der Bäckerei Nowack Wert aufs Handwerk gelegt. "Wir produzieren noch traditionell mit Natursauerteig." Wichtig ist Karina Garten auch, dass die Zutaten aus der Region kommen. Das Mehl zum Beispiel liefert die Webermühle aus Braunsdorf.
Produkte sollen zur Saison passen
Besonderen Wert legt Karina Garten darauf, dass ihre Produkte zur Saison passen. „Erdbeertörtchen gibt es bei uns nur im Sommer“, sagt sie. Und deshalb liegen derzeit im Gegensatz zu den Supermärkten noch keine Lebkuchen in den Regalen.
In der Weihnachtszeit kommt die Stollenbäckerei zum Tagesgeschäft hinzu. „Wenn uns die Kunden die Zutaten bringen, backen wir für sie die Stollen“, so Karina Garten.
Obwohl Karina Garten in der Bäckerei aufgewachsen und ihr gesamtes bisheriges Berufsleben dort gearbeitet hat, gehört Kuchen zu ihren Leibspeisen. „Aufs Abendbrot kann ich gerne mal verzichten, nicht aber auf den Nachmittagskaffee mit Kuchen“, erzählt sie und lacht.
Leibspeise Eierschecke und Streuselkuchen
Eierschecke und gefüllten Streuselkuchen mag sie am Liebsten. Insgesamt werden in der Backstube unter anderem 20 verschiedene Blechkuchen, zwölf Sorten Brot und 25 Sorten Brötchen hergestellt. Eine eigene Kreation für alle, die es besonders herzhaft mögen, sind die Grünlichtenberger Brötchen, die mit Salz und Pfeffer bestreut sind.
Auch ein Festbrot zum 175-jährigen Bestehen von Grünlichtenberg hat sie entworfen. Obwohl das Fest wegen der Corona-Pandemie um fünf Jahre verschoben worden ist, will sie das Brot, das jeweils zur Hälfte mit Kürbiskernen und Mais dekoriert ist, weiter produzieren. Ein Teil des Erlöses fließt in die Spendenkasse zur Ausgestaltung des Jubiläums. (mit Lars Halbauer)
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September 04, 2020 at 08:00PM
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Bäckermeisterin liebt Kuchen über alles - Sächsische Zeitung
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